Abhmahnungen und ihre Warnfunktion

Wann verfällt die Wirkung?

Die Abmahnung ist ein wichtiges arbeitsrechtliches Instrument. Sie dient dazu, einen Arbeitnehmer auf eine Pflichtverletzung hinzuweisen und ihm zugleich eine klare Warnung auszusprechen: Wiederholt sich das Verhalten, kann eine Kündigung folgen. Doch eine Abmahnung verliert ihre Wirkung, wenn ein Arbeitgeber trotz erneuter Pflichtverstöße nicht handelt.

Dies verdeutlicht das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.11.2022 (Az. 8 Sa 243/22). Das Gericht entschied, dass die Warnfunktion einer Abmahnung nicht mehr gilt, wenn ein Arbeitgeber einschlägige Folgeverstöße hinnimmt, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ziehen.

Sachverhalt

Das LAG Düsseldorf hatte über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung zu entscheiden. Die Klägerin war seit Mai 2018 als Rental Sales Agentin bei einer Autovermietung am Flughafen Düsseldorf beschäftigt. Ein Betriebsrat bestand nicht.

Bereits am 16.01.2021 hatte die Arbeitgeberin der Klägerin wegen mehrfachen Zuspätkommens eine Abmahnung erteilt. Dennoch kam sie in den darauffolgenden Monaten regelmäßig zu spät. Konkret stempelte sie sich am 09.08.2021, 11.08.2021, 14.08.2021 und 17.08.2021 mit einer Verspätung zwischen vier und 22 Minuten ein. Zudem soll sie private Telefonate am Counter geführt haben.

Am 20.08.2021 lud die Klägerin gemeinsam mit zwei Kolleginnen zu einer Versammlung zur Wahl eines Wahlvorstands für eine Betriebsratswahl ein. Eine Woche später, am 27.08.2021, sprach die Arbeitgeberin eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Zur Begründung führte sie die erneuten Verspätungen und die private Handynutzung an.

Die Klägerin wehrte sich gegen die Kündigung. Sie argumentierte, sie habe ihre Vorgesetzten bei Arbeitsantritt jeweils über die Verzögerung informiert. Außerdem seien alle Rechner besetzt gewesen, sodass sie nicht sofort einstempeln konnte. Private Telefonate habe sie nur im Backoffice geführt.

Entscheidungsgründe

Das LAG Düsseldorf erklärte sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung für unwirksam. Wesentlicher Grund war das Fehlen einer erneuten Abmahnung. Das Gericht stellte fest, dass die Arbeitgeberin über Monate hinweg weitere Verspätungen der Klägerin hingenommen hatte, ohne darauf mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen zu reagieren.

Dies führte dazu, dass die Warnfunktion der ursprünglichen Abmahnung vom 16.01.2021 verbraucht war. Eine Abmahnung kann nur dann eine ernsthafte Warnung darstellen, wenn der Arbeitnehmer aus seiner Sicht mit Konsequenzen rechnen muss. Reagiert der Arbeitgeber aber über längere Zeit nicht auf erneute gleichartige Verstöße, verliert die Abmahnung ihre warnende Wirkung. Zudem stellte das Gericht fest, dass die angebliche private Handynutzung am Counter nicht abgemahnt worden war.

Eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung sei in diesem Fall nicht gerechtfertigt, da die Arbeitgeberin keine konkreten negativen Folgen dieses Verhaltens dargelegt hatte.

Zusammenfassung und Fazit

Das Urteil des LAG Düsseldorf zeigt, dass eine Abmahnung ihre Warnfunktion verliert, wenn ein Arbeitgeber bei weiteren gleichartigen Pflichtverletzungen keine Konsequenzen zieht.

Eine einmal ausgesprochene Abmahnung bleibt nicht unbegrenzt wirksam. Vielmehr muss der Arbeitgeber bei einem erneuten Verstoß entweder konsequent reagieren – etwa durch eine weitere Abmahnung oder eine Kündigung – oder er riskiert, dass sich die Abmahnung im Kündigungsschutzprozess als nutzlos erweist. Für Arbeitgeber ergibt sich daraus die Notwendigkeit, nach einer Abmahnung konsequent zu handeln.

Bleiben weitere Pflichtverstöße folgenlos, kann eine spätere Kündigung unwirksam sein. Arbeitgeber sollten daher prüfen, ob sie nach einer Abmahnung weitere Verstöße dulden oder ob sie frühzeitig arbeitsrechtliche Maßnahmen ergreifen.

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