In kleinen und mittelständischen Unternehmen kann die Verwaltung von Urlaubsansprüchen eine Herausforderung darstellen. Oftmals werden gesetzliche Fristen oder Verpflichtungen versehentlich übersehen. Dies birgt jedoch erhebliche Risiken für Arbeitgeber, insbesondere seit der jüngsten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser Beitrag beleuchtet die Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers, wie wichtig es ist, Arbeitnehmer rechtzeitig auf ihre Urlaubsansprüche hinzuweisen, und welche Konsequenzen drohen, wenn diese Pflicht verletzt wird.
Der Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub ist ein zentrales Recht jedes Arbeitnehmers, das sich aus § 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) ergibt. Doch dieser Anspruch verfällt nicht automatisch, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht rechtzeitig einfordert. Hier greift die sogenannte Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers: Er muss seine Beschäftigten aktiv und rechtzeitig über ihre Urlaubsansprüche informieren und sie in die Lage versetzen, diesen Urlaub tatsächlich zu nehmen.
Der EuGH stellte in seiner Entscheidung vom 6. November 2018 (Az.: C-684/16) klar, dass Urlaub nicht automatisch verfällt, wenn der Arbeitnehmer nicht über seine Rechte informiert wurde. Das Bundesarbeitsgericht schloss sich dieser Sichtweise an und präzisierte in einem Urteil vom 20. Dezember 2022 (Az.: 9 AZR 266/20), dass ein Verfall von Urlaub nur eintreten kann, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachgekommen ist. Zudem konkretisierte das BAG im Januar 2023, dass der Hinweis „unverzüglich“ nach der Entstehung des Urlaubsanspruchs erfolgen müsse.
Laut BAG sollte der Hinweis auf die Urlaubsansprüche spätestens am sechsten Werktag des Januars erfolgen. Dabei zählen Samstage als Werktage. Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter also zu Beginn des Kalenderjahres klar und deutlich darauf hinweisen, wie viele Urlaubstage ihnen zustehen und dass diese bis zum Ende des Jahres genommen werden müssen, um nicht zu verfallen.
Zudem sollte der Hinweis schriftlich erfolgen, um im Streitfall nachweisen zu können, dass die Mitwirkungsobliegenheit erfüllt wurde. Eine mündliche Information ist zwar nicht ausgeschlossen, jedoch schwerer zu beweisen.
Versäumt es der Arbeitgeber, den Hinweis rechtzeitig oder überhaupt zu erteilen, kann der Urlaubsanspruch nicht verfallen. Darüber hinaus kann der Anspruch auch nicht verjähren. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer noch Jahre später ihren Urlaub geltend machen können – eine Situation, die für Arbeitgeber teuer werden kann.
Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer hat in den Jahren 2020 und 2021 jeweils 20 Urlaubstage nicht genommen, weil der Arbeitgeber keinen Hinweis erteilte. Wenn der Arbeitgeber seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, könnten diese 40 Urlaubstage noch im Jahr 2023 eingefordert werden. Das kann zu erheblichen finanziellen Belastungen führen, insbesondere wenn der Arbeitnehmer ausscheidet und der nicht genommene Urlaub ausgezahlt werden muss.
Urlaubsplanung fördern: Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter, ihren Urlaub frühzeitig zu planen. Dies hilft nicht nur bei der Organisation des Betriebsablaufs, sondern minimiert auch das Risiko von Urlaubsrückständen.
Die Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers ist keine bloße Formalität, sondern eine gesetzliche Pflicht, die rechtlich bindend ist. Die aktuelle Rechtsprechung von BAG und EuGH verdeutlicht, wie wichtig es ist, Arbeitnehmer proaktiv auf ihre Urlaubsansprüche hinzuweisen. Arbeitgeber in kleinen und mittelständischen Unternehmen sollten sicherstellen, dass sie ihre Hinweispflicht ernst nehmen, um finanzielle Risiken und rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Indem Arbeitgeber frühzeitig handeln und ihre Informationspflicht erfüllen, schaffen sie nicht nur Rechtssicherheit, sondern fördern auch eine gesunde Unternehmenskultur, in der Erholung und Wohlbefinden der Mitarbeiter einen hohen Stellenwert haben.